Die Achtzger

Es ist Herbst. Der Mayr hat ne Achtzger gefunden. Lag hinter der Schule rum. Tankdeckel fehlt aber sonst steht sie gut da. Wir schieben das Trum erstmal hinter ein Gebüsch und verstecken es.

Nach der Schule holen wir mit einem Eimer Benzin an der Tanke. Wir tischen dem Tankwart irgendeine Story auf, ich glaube was mit nem Rasenmäher oder so, jedenfalls stellt er dann keine Fragen mehr. Ich kaufe noch ein Elefantenbier. Auf dem abgeernteten Erdbeerfeld kippen wir den Sprit so gut wie möglich mit dem Eimer in den Tank und das Elefantenbier mit der Dose in uns rein. Die Hälfte geht daneben. Wir riechen nach Benzin und Starkbier. Jetzt bloss nicht rauchen…

Das Ding war praktischerweise wohl schonmal geklaut, die Kabel für die Zündung hängen frei zugänglich raus. Kurz gebitzelt und die Enduro läuft. Knattert arschlaut und stinkt. Ein echter Schatz, weiss mit roten Ralleystreifen.

Ab geht’s über’s Feld… Keiner von uns kann richtig Moped fahren. Wir fallen ständig hin, natürlich haben wir keinen Helm. Jedesmal wenn die Achtzger umfällt schwappt Benzin auf den Acker. Hier pflücke ich nächstes Jahr keine Erdbeeren.

Irgendwie schaffen wir es bis zur “Wüste”. So nennen wir die Brachlandschaft hinter der S-Bahn Berg am Laim. In der Wüste kann man Leichen verscharren ohne dass es jemanden schert. Ein kleines bisschen Anarchie zwischen drittklassigen Gewerbeflächen und einem aufgelassenen Bahngelände. Hier stören wir nur die Krähen mit unserem Rumgeheize. Bis der Sprit alle ist.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit in den leeren Bahnhallen unter all der Taubenkacke nach Schmuddelheften zu suchen die die Mechaniker in Ihren Spinden zurückgelassen haben. Wir werden, wie immer, fündig.

Danach steigen wir in ein stillgelegtes Weichenstellhäuschen ein. Cool, die ganze Mechanik ist noch drin. Wir spielen mit den Stellhebeln aber fast alles hat sich über die Jahre fest gefressen. Der Mayr und ich beschliessen hier am Wochenende meinen Geburtstag zu feiern.

Zusammen bringen wir die Achtzger in Sicherheit und starten die Telefonkette.

Samstags gegen halb acht füllt sich unser improvisierter Club zusehends. Die Julle-Leute sind auch da und weil die Kohle haben bedeutet das Vorräte satt. Wir haben Bier, Weißwein, Vodka, Baileys, Rotwein und sogar RedBull. Wir trinken alles durcheinander und rocken das Weichenstellhäuschen. Überall sind Leute, oben, unten, auf den Gleisen. Ein Haufen sitzt auf nem alten Transportwaggon und raucht Gras.

Als das Fest auf seinen Höhepunkt zusteuert rattert eine Diesellok direkt vor unserer Nase vorbei. Ich kann die Mütze auf der Birne des Lokführers sehen. Blitzschnell ducke ich mich unter die Fenstersimse. Aber der hat uns gesehen. Na, logo. Mit der ganzen Lightshow die wir hier abziehen und der Musik. Der Kellner Andi kommt mir auf der Treppe von unten entgegen. Er ist kreidebleich. Es war arschknapp dass Ihn die Lok erwischt hätte. Ein Grund anzuprosten. Das Leben ist doch schön. Danach geht’s für die meisten ab durch die Hecke.

Ein paar Tage nach meinem Geburtstag ist der Mayr stinksauer. “Der Hauser, die Sau, hat mir die Achtzger geklaut.”

Ich denke der Mayr ist darüber hinweg. Als ich ihn zuletzt getroffen habe fuhr er Jaguar.