Ronja

Ich bin neu in der Stadt. Morgens wenn der Regen peitscht steht sie mit mir gemeinsam am Max-Weber Platz und wartet auf die Tram.

Sie trägt Cordhosen und bunte Sachen. Wir haben uns nicht viel zu sagen, in der Schule finden wir uns komisch. Irgendwann sitzen wir in der Trambahn nebeneinander.

Es ist die Zeit von Glasnost und Perestroijka. Ich bringe Ihr alte Russen-Orden mit, das findet sie cool. Wir sitzen zusammen in der Küche, rauchen heimlich und essen mit Käse überbackenes Spiegelei. Vor ihrem Fenster reissen sie den alten Trödelmarkt ab.

Sie stellt mich Ihren Freunden vor. Dem Antiquitätenhändler, der Verkäuferin aus dem winzigen Küchengeschäft und dem Wachmann von den Stadtwerken. Ich müsste jetzt Ihre Hand nehmen. Aber ich mache nichts. Er sagt später zu ihr dass “so oana nix is für so a netts Madl”.

Wir hören die gleichen Platten und lesen die gleichen Bücher. Sie sitzt in der Hängematte und ich warte bis mich ihre Mutter rauswirft. Meine Mutter schimpft wegen der Telefonrechnung.

Auf den Bildern aus dem Fotoautomaten sehen wir Jahr für Jahr älter aus.
Irgendwann hören wir unterschiedliche Platten. Irgendwann spricht sie Spanisch. Und Französisch. Und Italienisch sowieso. Und dann ist sie weg.